Hemer/ Iserlohn. Die Drohgebärde ist gewaltig: Von Verzug, Liquidation, strafrechtlichen Ermittlungen ist in den anwaltlichen Forderungsschreiben mit Aktenzeichen die Rede.
Internetnutzer sollen so eingeschüchtert werden, um angebliche Nutzungsgebühren zu bezahlen. "Eine miese Abzocke", warnt der Hemeraner Rechtsanwalt Stefan Harmuth.
Er vertritt mittlerweile zwei Jugendliche, denen das Mahnschreiben des Osnabrücker Anwalts Olaf Tank ins Haus flatterte. Die 15-Jährige Laura aus Iserlohn sollte das erste Opfer werden. Angeblich soll sie sich auf der Internetseite sms-heute.com kostenpflichtig angemeldet haben. Die Seitenbetreiber Andreas & Manuel Schmidtlein versuchen dies, durch die Angabe der IP-Adresse des Computers nachzuweisen. 84 Euro soll Laura der Firma schulden, plus 39 Euro für die nun fälligen Anwaltskosten. Bei Nichtzahlung wird mit dem Gericht gedroht. "
Erhalten Eltern dieses Anwaltsschreiben sind sie schockiert: "Mein Kind hat wieder irgendwo gesurft, die Rechnung unterschlagen, nun schlägts 13", malt Stefan Harmuth ein Familienszenario. So wird murrend gezahlt, obwohl die Kinder unschuldig sind. So hat auch Laura sich nie auf dieser Seite registriert, auch nie eine Rechnung erhalten. "Hier werden unschuldige Jugendliche angegriffen", so der Anwalt. In Lauras Fall forderte er den "Kollegen" auf, die Rechnung zu übersenden. Die Antwort kam prompt: "Wir haben die Angelegenheit eingestellt." Sogar die Anwaltsgebühren des Hemeraners wurden beglichen.
Im zweiten Fall von Marius läuft der Schriftverkehr noch. Er soll sich auf songtexte-heute.com kostenpflichtig registriert haben, was auch er bestreitet. Die gleiche Masche, das gleiche Ziel: Durch Drohgebärden abkassieren. Weitere Fälle Hemeraner Jugendlicher sind in Schulen bekannt. "Es handelt sich um Betrug", warnt Stefan Harmuth.
Wie Recht er damit hat, bestätigen das Rüsselsheimer Polizeikommissariat 23 und die Verbraucherzentrale Berlin. Über 3000 Anzeigen wegen Betruges liegen gegen die Internetseiten-Betreiber Andreas und Manuel Schmidtlein in Büttelborn mittlerweile vor. Hinzu kommen Anzeigen und Beschwerden gegen die Osnabrücker Inkasso-Kanzlei Tank, die als Geldeintreiber fungiert. Nun ermittelt der Generalstaatsanwalt in Frankfurt. Einem Teil der Anzeigen soll wegen Betruges nachgegangen werden, weil die Internetnutzer - wie in den beiden Hemeraner Fällen - versichern, nie auf diesen Seiten gesurft zu haben.
Beim Namen "Schmidtlein" klingeln bei Verbraucherschützern im ganzen Land die Alarmglocken. Durch illegale Dialer hatten die Schmidtleins bereits abkassiert, dann folgten immer neue Internetseiten unter xxx-heute.com mit angeblichen Gratis-Gewinnspielen, hinter denen sich ein Abovertrag verbarg. Abmahnungen wegen Wettbewerbsverstößen durch die Verbraucherzentralen haben bislang nicht gefruchtet. Abgemahnte Seiten wurden angepasst, aber neue geöffnet.
"Der Fall Schmidtlein ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich unlauterer Wettbewerb in Deutschland immer noch lohnen kann", so Edda Müller vom vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband). Sie fordert ein energisches Vorgehen der Justiz und des Gesetzgebers. Verbraucherschützer raten Betroffenen, Widerspruch einzulegen. Es ist kein Fall bekannt, in denen die Rechnungen durch die Gebrüder Schmidtlein gerichtlich eingetrieben wurden. "Solche Unternehmen dürfen keine Chance am Markt haben", sagt auch der Hemeraner Stefan Harmuth.